Manchmal riecht Wein einfach… seltsam. Nach nasser Pappe, faulen Eiern, Nagellackentferner oder altem Keller – und plötzlich ist aus Genuss Ernüchterung geworden. Doch nicht jeder „komische“ Duft bedeutet, dass der Wein schlecht ist.
Weinfehler sind ein spannendes, oft missverstandenes Thema – und der berühmte Böckser ist ihr prominentester Vertreter.
Grob gesagt entsteht ein Weinfehler, wenn während des Traubenwachstums, der Gärung, Lagerung oder Abfüllung des Weins etwas aus dem Gleichgewicht gerät – meist durch chemische oder mikrobiologische Prozesse. Das Ergebnis sind dann unangenehme Gerüche, trübe Farben oder ein unharmonischer Geschmack.
Die häufigsten Weinfehler sind:
Korkschmecker – verursacht durch 2,4,6-Trichloranisol (TCA); riecht nach feuchtem Karton, nasser Wolle oder altem Keller.
Oxidation – Wein wirkt braun, müde, erinnert an Apfelmus oder Sherry; entsteht durch zu viel Luftkontakt.
Essigstich / flüchtige Säure – riecht stechend nach Essig oder Nagellackentferner (Ethylacetat); meist Folge von Luftkontakt oder bakterieller Fehlgärung.
Böckser – schwefliger Geruch nach faulen Eiern, Knoblauch oder Feuerstein; entsteht durch Schwefelverbindungen während der Gärung.
Brettanomyces („Brett“) – Hefestämme, die muffige, pferdestallartige oder lederne Aromen erzeugen, wird auch oft als Pferdeschweiß beschrieben; in kleiner Dosis teils „würzig“, in hoher Dosis schlicht fehlerhaft.
UTA (Untypischer Alterston) – ein Fehler, der vor allem bei Weißweinen vorkommt; riecht nach nasser Pappe, Mottenkugeln oder abgestandenem Wasser; entsteht meist durch zu viel Stress in der Rebe (z. B. Trockenheit oder Stickstoffmangel).
Manche dieser Fehler – etwa Böckser oder Brett – können in winzigen Mengen sogar stilprägend wirken, andere zerstören den Wein vollständig.
Entscheidend ist, ob sie Balance oder Dominanz zeigen.
Der Böckser ist einer der häufigsten und zugleich umstrittensten Weinfehler. Er entsteht, wenn während der Gärung flüchtige Schwefelverbindungen (z. B. Schwefelwasserstoff oder Mercaptane) entstehen und nicht vollständig entweichen.
Das Ergebnis:
Ein Duft, der an faule Eier, Knoblauch oder Streichholz erinnert. Nicht schön – aber manchmal durchaus gewollt.
Denn ein leichter Böckser kann dem Wein Komplexität und Spannung verleihen, besonders bei reduktiv ausgebauten Weißweinen. Viele moderne Winzer arbeiten bewusst unter Ausschluss von Sauerstoff, um Frische und Langlebigkeit zu bewahren – und nehmen dabei kurzfristig einen Hauch Böckser in Kauf.
Manche Rieslinge oder Sauvignons blanc duften in ihrer frühen Jugend im Keller deshalb kurzzeitig etwas „streng“ – lüften sich aber mit Luftzufuhr und dadurch entstehen oft phantastische junge Weine mit einer beeindruckenden Tiefe. Das ist kein Fehler, sondern ein Stilmittel. Erst wenn der Geruch bleibt oder intensiver wird, spricht man von einem echten Weinfehler.
Manche ja – andere nie.
Ein leichter Böckser kann durch Belüften (Dekantieren oder kräftiges Schwenken im Glas) verschwinden. Ein Korkschmecker hingegen ist endgültig – da hilft nur zurückgeben. Auch bei Oxidation, UTA oder Essigstich ist der Schaden irreversibel.
Im Keller gilt:
Vorbeugung ist alles. Sauberes Arbeiten, präzise Gärführung und kontrollierte Schwefelung sind die besten Mittel gegen ungewollte Fehlaromen.
In einer Zeit, in der Naturweine und „authentische Kellerarbeit“ im Trend liegen, verschwimmen die Grenzen. Ein bisschen Trübung, Hefe oder Reduktion gilt heute oft als „Charakter“. Was früher als Fehler galt, wird manchmal bewusst als Ausdruck von Handwerk interpretiert.
Aber: Nicht jeder Fehler ist Persönlichkeit. Guter Wein lebt von Balance – nicht von Ausreden.
Der Begriff „Böckser“ stammt wahrscheinlich aus dem Rheingau und wurde ursprünglich scherzhaft für „bockige“ Weine verwendet – solche, die sich widerspenstig verhalten und nicht so wollten wie der Winzer. Früher hieß es unter Winzern: „Der Wein bockt!“ – und irgendwann wurde daraus der „Böckser“.
Heute weiß man: Ein leichter Böckser kann sich legen – ein echter Bock bleibt bockig.
Wein ist Natur, Handwerk und Chemie – da läuft nicht immer alles perfekt. Ein bisschen Reduktion, ein Hauch Unruhe oder ein Tick Wildheit können Teil des Charakters sein. Aber wenn der Wein nach faulen Eiern riecht, nach Essig schmeckt oder nach Stall duftet und sich nicht mehr beruhigt – dann war’s kein Stil, sondern schlicht Pech im Keller.
Tipp: Wer neugierig ist, kann beim nächsten Tasting bewusst „Fehlerweine“ probieren – viele Sommeliers und Winzer bieten solche Vergleichsverkostungen an.
So lernt man, mit der Nase zu denken – und versteht Wein nicht nur als Getränk, sondern als lebendiges Erlebnis.