Kaum ein Thema sorgt in der Weinwelt für so viele Fragen und manchmal auch für Stirnrunzeln wie Schwefel im Wein. „Kopfschmerzen! Chemie! Gift im Glas!“ – die Vorurteile halten sich hartnäckig. Aber was steckt wirklich dahinter? Und warum setzen Winzer seit Jahrhunderten auf Schwefel?
Schwefel – genauer gesagt Schwefeldioxid (SO₂) – ist so etwas wie der Bodyguard des Weins. Er schützt ihn vor:
Oxidation: Ohne Schwefel würde Wein schnell braun und schal schmecken.
Bakterien & Hefen: Schwefel verhindert, dass unerwünschte Mikroorganismen den Wein verderben.
Alterung: Schwefel macht Wein stabiler und haltbarer, damit er auch nach Jahren noch Freude bereitet.
Kurz gesagt: Ohne Schwefel wäre Wein oft instabil – und viele Flaschen würden den Weg ins Glas gar nicht überleben.
Die Menge hängt von Weinart, Stil und Winzer-Philosophie ab.
Weißweine enthalten meist etwas weniger Schwefel.
Rotweine kommen oft ebenfalls mit weniger aus – ihre Gerbstoffe wirken zusätzlich schützend. Das gilt aber nur für bestimmte Rotweine. Solche, die frischer schmecken sollen brauchen mehr Schwefel, da hier zusätzlich auch die Anthocyane (Farbstoffe) ebenfalls oxidieren können.
Naturweine oder „Low Sulphur“-Weine haben bewusst nur die Menge an Schwefel, die sie aus der Pflanze selbst und dem Weinberg mitbringen, bzw. indirekt erhalten, durch das Sterilisieren der Fässer.
Süßweine brauchen im Gegensatz zu den anderen Weinen mehr Schwefel. Zucker lockt Mikroorganismen an, diese müssen jedoch ferngehalten werden.
Wichtig: Schwefel ist gesetzlich streng geregelt. Die zulässigen Höchstwerte sind genau definiert – und liegen weit unter dem, was gesundheitlich kritisch wäre.
Hier kursiert einer der größten Weinmythen überhaupt. Viele Menschen geben „zu viel Schwefel“ die Schuld, wenn am nächsten Morgen der Kopf brummt. Die Wahrheit ist meist viel komplexer:
Alkohol, Dehydration und Histamine und deren Abbauprodukte sind meist die eigentlichen Auslöser.
Nur sehr wenige Menschen reagieren tatsächlich empfindlich auf Schwefel. (Zwischen 0,01% und 0,1%)
Mit anderen Worten: Wer Kopfschmerzen vom Wein bekommt, sollte vielleicht eher zum Wasserglas greifen als zum Schwefel-Sündenbock.
Ja, aber mit Einschränkungen. Manche Winzer setzen bewusst auf „Naturweine“, die ganz ohne zugesetzten Schwefel auskommen oder nur minimale Mengen enthalten. Das Ergebnis kann spannend und authentisch sein – manchmal aber auch eigenwillig. Naturweine sind oft weniger stabil, verändern sich schneller wenn man nicht extrem vorsichtig ist im Keller und sind Geschmackssache.
Dank moderner Kellertechnik brauchen Winzer immer weniger Schwefel. Sauberes arbeiten ist hier absolut wichtig.
Schon die alten Römer nutzten Schwefel im Weinbau – allerdings nicht im Keller, sondern im Weinlager. Sie brannten Schwefelhölzer in Amphoren, um Bakterien abzutöten und den Wein haltbar zu machen. Nachhaltig glamourös war das sicher nicht – aber wir verdanken ihnen die Grundidee des "Schwefelns" und das wird auch heute noch gemacht.
Schwefel ist kein böser Fremdkörper im Wein, sondern ein uraltes Hilfsmittel, das Stabilität und Genuss garantiert. Ohne ihn gäbe es viele unserer Lieblingsweine nicht in der Form, wie wir sie kennen. Natürlich gilt wie immer: Die Dosis macht das Gift. Aber die modernen Grenzwerte sind sehr streng – und die meisten Weine enthalten deutlich weniger, als erlaubt wäre.
Tipp: Wer neugierig ist, probiert mal einen Wein mit wenig oder gar keinem Schwefel – und vergleicht ihn mit einem klassisch ausgebauten. Der Unterschied ist spannend, aber oft subtiler, als man denkt.