Eine Reise zu einem Schatz im Atlantik
Als ich das erste Mal die zerklüftete Küste Madeiras sah, schimmerte der Atlantik in einem tiefen Blau, das fast schon surreal wirkte. Diese portugiesische Insel, weit draußen im Ozean, ist nicht nur ein Paradies für Wanderer und Naturliebhaber – sie ist auch berühmt für 2 Dinge: Christiano Ronaldo und Madeirawein. Ich hatte schon viel gehört von einem Wein, der nicht schlecht wird. Von einem Tropfen, der jahrzehntelang reifen kann. Aber nichts davon konnte mich auf das vorbereiten, was mich in Funchal, der Inselhauptstadt, erwartete.
In einem Lagerhaus ausserhalb von Funchal betrat ich das Reich einer Winzerin, die mich mit einem breiten Grinsen empfing und sofort ein Glas einschenkte. Ich nahm einen Schluck – und war sofort verloren. Dichte Aromen von Karamell, gerösteten Nüssen, getrockneten Feigen. Süß, ja – aber mit einer Struktur und Frische, die mich überraschte. Sie erklärte mir, dass Madeirawein während der Gärung mit Branntwein angereichert wird. Und das Besondere: Der Wein wird anschließend über Wochen oder Monate der Hitze ausgesetzt – entweder in Tanks oder auf natürliche Weise durch die Hitze unter den Dächern der Lagerhäuser. Ein bisschen verrückt, dachte ich – Hitze, Sauerstoff, all das versuchen Winzer in Deutschland zu vermeiden, weil es jeden normalen Wein ruinieren würde. Aber Madeira? Der blüht genau dadurch erst richtig auf.
Fun Fact: Ursprünglich war all das gar keine Absicht. Im 17. Jahrhundert stoppten Schiffe auf Madeira auf dem Weg nach Indien und in die neue Welt und nahmen auch Wein mit auf Reisen – als Proviant, aber auch als Handelsware. Diese wurden jedoch oft schlecht, deswegen wurden sie aufgesprittet. Die monatelange Lagerung in heißen Schiffsbäuchen und die Bewegung durch das Schiff selbst (batonage) ließ den Wein dann reifen – und besser schmecken. Als man das bemerkte, begann man, das kontrolliert nachzuahmen. Und ja, das Ergebnis ist tatsächlich ein Wein für die Ewigkeit.
Während meiner Reise nach Madeira probierte ich mich durch die Stilrichtungen:
Sercial - trocken, zitronig, fast salzig, wie gemacht für heiße Sommertage
Verdelho - halbtrocken, mit nussigen Noten, mein Favorit mit Käse
Bual - vollmundig, süß, mit Dattel und Kaffeearomen
Malmsey - sehr süß, mit Toffee, Honig und einem Hauch Rauch
Jede Sorte war ein eigenes Kapitel, jede Flasche ein Zeitdokument.
Heute steht bei mir zu Hause immer eine Flasche Madeira. Kein Korken, kein Druck, sie hält sich monatelang. Ich verwende sie zum Kochen, mische sie in Cocktails – oder genieße einfach ein Gläschen pur nach einem langen Tag. Und jedes Mal, wenn ich diesen intensiven Geschmack auf der Zunge habe, bin ich wieder kurz auf Madeira. Spüre die Sonne, höre das Meeresrauschen, sehe die Terrassenweinberge in der Ferne.
Madeirawein ist eine Reise. Eine Geschichte in der Flasche. Ein flüssiges Erbe der Seefahrerzeit, das bis heute begeistert. Wenn du ihn noch nie probiert hast – worauf wartest du?