Der Gott, der den Wein erfand
Wenn wir heute ein Glas Wein genießen, danken wir meist dem Winzer. In der Antike jedoch galt der Dank einem Gott: Dionysos, bei den Griechen verehrt, und Bacchus, sein römisches Gegenstück. Zwei Namen, ein Gott für Wein, Feste und körperliche Freuden, quasi die antike Version von Keith Richards. – Unzählige Geschichten zeigen, wie tief Wein in der Kultur verwurzelt war.
Vom göttlichen Kind zum Gott des Rausches
Dionysos hatte einen ungewöhnlichen Start ins Leben. Seine Mutter Semele verbrannte, als sie Zeus in seiner göttlichen Gestalt sehen wollte. Zeus rettete das ungeborene Kind, indem er es in seinem Schenkel austrug – weshalb Dionysos als „zweimal geboren“ gilt.
Von Beginn an war er Außenseiter, aber auch Wohltäter: Er brachte den Menschen den Weinbau, lehrte sie das Keltern und schenkte ihnen nicht nur berauschende Getränke, sondern auch ein neues Lebensgefühl – Freude, Gemeinschaft, Ekstase.
Die Dionysien – wenn Wasser zu Wein wurde
Besonders eindrucksvoll verehrten die Griechen ihren Weingott bei den Dionysien, Festen zu seinen Ehren. In den Tempeln wurden Krüge mit Wasser verschlossen. Tage später – so berichteten es die Gläubigen – öffnete man sie, und statt Wasser fand man Wein. Dieses „Weinwunder“ galt als sichtbares Zeichen der göttlichen Macht des Dionysos und festigte seinen Ruf als Bringer von Freude und Überschwang und wurde später auch von anderen Religionen im östlichen Mittelmeerraum kopiert.
Die Dionysien verbanden Kult und Kultur: Aus ihnen entwickelten sich auch die ersten Theateraufführungen, die bis heute Grundlage unserer Bühnenkunst sind.
Vom griechischen Gott zum römischen Bacchus
Die Römer übernahmen Dionysos später als Bacchus. Ihm zu Ehren feierten sie die berühmten Bacchanalien – rauschhafte Feste, die so wild wurden, dass der Senat sie zeitweise verbot. Dennoch überdauerte Bacchus die Jahrhunderte – nicht nur in Kunstwerken, sondern sogar im Weinberg.
Denn noch heute erinnert eine Rebsorte direkt an ihn: die weiße Sorte Bacchus, 1933 in Deutschland gezüchtet (Silvaner x Riesling x Müller-Thurgau). Sie bringt fruchtige, aromatische Weine hervor, die Bacchus wohl gefallen hätten – und trägt den Namen des Gottes weiter ins Hier und Jetzt.
Weinmythos trifft Realität
Natürlich wissen wir: Wein entstand nicht durch göttliche Wunder, sondern durch Menschen, die entdeckten, dass Traubensaft gärt. Doch die Mythen um Dionysos und Bacchus zeigen, wie sehr Wein schon immer mehr war als ein Getränk. Er stand für Kultur, Gemeinschaft und den feinen Grat zwischen Freude und Übermaß.
Fazit
Dionysos, der „zweimal Geborene“, und Bacchus, der römische Festgott, prägen bis heute unser Bild vom Wein. Ob in den Dionysien mit dem wundersamen „Weinwunder“ oder in einer modernen Flasche Bacchus-Wein: Beide erinnern uns daran, dass Wein seit Jahrtausenden Teil unserer Kultur ist – als Symbol für Genuss, Gemeinschaft und Lebensfreude.